03:30 Im Bett.
Schon wieder? Warum wache ich in diesem Land ständig mitten in der Nacht auf? Ist meine Tür abgeschlossen? Außerdem: Ich muss wirklich dringend mal pinkeln.
03:55 Immer noch im Bett.
Liebes Gehirn, wie wäre es mit etwas Schlaf?
„Lieber Gott, ich verspreche dir, dass ich morgen früh zur Andacht gehe, aber bitte hilf mir einzuschlafen. Amen.“
Erfolglose Versuche, die unglaublich lästige Mücke zu töten. Langsam schlafe ich wieder ein.
06:45 Der Wecker klingelt.
Was ist das für ein Lärm? Draußen regnet es in Strömen. Stimmt, Regenzeit, wie konnte ich das nur vergessen.
Ich stehe auf, dusche, putze mir die Zähne. Ich knöpfe mein Hemd zu, nur um oben festzustellen, dass ich das erste Knopfloch unten übersprungen habe. Der zweite Versuch ist erfolgreicher. Ich erinnere mich, wie sehr ich es hasse, lange Hosen tragen zu müssen, wenn es über 30 °C hat und schwül ist.
07:25 Andacht.
Ein Kollege verteilt Gesangsbücher und fängt an zu singen — falsch und viel zu langsam.
Warum klingen so viele christliche Lieder so traurig? Sollten wir nicht die größten Gründe zum Feiern haben? Ich bin ehrlich gesagt kein großer Fan von morgendlichen A-Capella-Gesängen. Die Hälfte der Leute befindet sich noch im Halbschlaf — und wir alle wissen, wie Stimmen klingen, wenn man gerade aufgestanden ist.
Gott sei Dank ist das vorbei, denke ich mir — und nehme den Gedanken schnell zurück, weil Gott ja der Grund ist, warum wir das überhaupt machen.
Hält Gott sich eigentlich die Ohren zu, wenn Leute falsch singen?
08:00 Büro.
Mit einer Schüssel Müsli vor mir beginne ich den Arbeitstag mit E-Mails checken.
Kaum merkbar schüttle ich den Kopf über die E-Mail einer Kollegin, die um 01:36 Uhr morgens verschickt wurde. Manchmal scheint „die Extrameile gehen“ mit „die Extrastunde arbeiten“ verwechselt zu werden.
„Guten Morgen, Markus“, Imba erhebt sich von seinem Stuhl und streckt mir seine Hand zum Gruß entgegen. „Guten Morgen, Imba. Wie geht es dir?“ Imba ist Südsudanesen und lebt in Juba. Auf seinem Schreibtisch entdecke ich eine Plastiktüte. Hoffentlich hat er wieder Mandazi* für das ganze Büro mitgebracht. Ich liebe Mandazi, besonders mit Erdnussbutter.
09:00 Internes Meeting.
Wir diskutieren über Strategien, die bestmögliche Nutzung der uns zur Verfügung stehenden Ressourcen, den Umgang mit logistischen Herausforderungen und erhalten Updates aus den verschiedenen Einsatzorten im Land.
Die Hälfte dieses Meetings hätte wohl eine E-Mail sein können. Apropos E-Mails, ich muss noch wegen einer Präsentation über unser Shelter Innovation Project beim Shelter Cluster** anrufen.
12:30 Mittagszeit.
Ziege. Schon wieder — ernsthaft? Ich nehme mir einige der fettig frittierten Kartoffelscheiben und gib etwas Ketchup darauf. Das reicht erstmal. Ich könnte Eier braten, das wäre viel besser als nur Kartoffeln.
Spiegeleier braten. Mich an ein paar leckere Rezepte zum Zubereiten von Ameisen erinnern.
13:31 Zurück im Büro.
E-Mails, technische Überprüfungen, Budgets, Zeitpläne, Unterschriften.
13:50 Der tägliche Juba-Durchfall schlägt zu.
Ich weiß, ein ziemlich unangenehmes Thema. Aber wenn man lange genug in Juba ist, gewöhnt man sich daran, ganz offen darüber zu sprechen. Es wird Teil der alltäglichen Unterhaltungen. Jemand verlässt zufällig ein Meeting — jeder weiß, was los ist. Durchfall ist eines der häufigsten Gesundheitsprobleme unter humanitären Arbeitern, insbesondere in Gebieten, in denen bei Hygiene (noch) Luft nach oben ist.
So. Viel besser.
Und jetzt zurück ins Büro.
17:22 Feierabend.
Wir haben nur zwei bis drei Stunden zwischen unserem Arbeitstag und der Ausgangssperre, um auszugehen, zu Abend zu essen, Freunde aus anderen NGOs zu treffen und um Lebensmittel einzukaufen.
Ich melde mich freiwillig zum Fahren. „Wir nehmen Wagen Nr. 43, kannst du das bitte an die Tafel schreiben? Danke, Stefan.“
17:43 Im Restaurant angekommen.
Bier? Pizza? Salat — lohnt sich das Risiko, sich eine schwere Lebensmittelvergiftung oder einen Parasiten einzufangen?
„Also, was bestellen wir?“, fragt Stefan auf seine bestimmte, deutsch-freundliche Art, macht ein albernes Gesicht und schaut die Leute am Tisch an.
Ich starre auf die Speisekarte. Warum sehe ich mir das überhaupt an? Ich bin jede Woche hier, ich kenne diese Karte in- und auswendig. Das einzige, was sich hier ändert, sind die Preise — natürlich in die falsche Richtung. „Keine Ahnung. Ist doch egal, was du bestellst, oder? Meistens kriegt man sowieso das, was sie gerade in der Küche haben, und nicht das, was man bestellt, haha.“
„Ja, aber einen Versuch ist es wert. Ich nehme eine BBQ-Huhn-Pizza und ein Tusker-Bier.“
Die Sonne geht unter, es wird dunkel.
19:53 Auf dem Rückweg, im Land Cruiser.
Ein großer Mann mit einer AK-47*** über der Schulter hebt den Arm, um uns anzuhalten. Oh nein, nur noch sieben Minuten bis zur Ausgangssperre. Wir werden langsamer und ich halte den großen Land Cruiser mit einem ungeschickten Ruck an.
Die Leute hinten im Auto hören auf zu reden und achten genau auf alles, was um das Auto herum passiert. Der Soldat scheint ruhig, aber ernst und etwas verstimmt. Seine Handbewegung ist schwer zu deuten, aber es scheint, als ob er mit mir sprechen wollte. Ich öffne das Fenster gerade so weit, dass wir ein paar Worte wechseln können.
„Guten Abend, Sir“, beginne ich das Gespräch und versuche ruhig und freundlich zu klingen. Lass uns doch einfach weiterfahren, wir alle wissen, dass du eigentlich keine NGO-Fahrzeuge anhalten darfst. Wir wissen auch, dass ihn das völlig unberührt lässt.
„Was treiben Sie zu später Stunde noch auf der Straße?“, nuschelt er.
„Entschuldigung, Sir. Wir sind schon auf dem Rückweg. Unser Gelände ist gleich hinter dem nächsten Kreisverkehr. Es tut uns leid.“ Bitte frag uns nicht nach Geld, für solche Spielchen haben wir wirklich keine Zeit. Er sagt gar nichts. Ich mag dein Gewehr nicht, mein Freund. Können wir jetzt fahren?
Obwohl er mich direkt ansieht, scheint er vergessen zu haben, dass er uns angehalten hat. Ich lasse den Land Cruiser langsam anfahren und beobachte seine Reaktion sehr genau. Nichts. Yalla, und weiter geht’s.
20:01 Wir erreichen das Tor unseres Geländes. Ich versuche so freundlich wie möglich zu hupen, um dem Wachmann mitzuteilen, dass wir ihn bitten, das große Tor zu öffnen.
Kann man überhaupt „freundlich“ hupen?
20:18 Stefans Zimmer. Gin Tonic. Musik.
Wir beschweren uns über die Umstände, dass wir jeden Tag um acht Uhr zu Hause sein müssen und über den Soldaten, der uns auf dem Rückweg angehalten hat. Wir versuchen über die Tatsache zu lachen, dass wir nicht ausgehen, Freunde treffen und etwas Freiheit genießen können, was unser Leben in Wirklichkeit stark beeinträchtigt.
Ich wüsste nicht, wie ich an diesem Ort ohne gute Freunde überleben könnte.
22:47 Ab ins Bett.
Ich versuche, nicht zu viel nachzudenken, aber beim Zähneputzen hinterfrage ich ernsthaft einige Lebensentscheidungen. Ich erinnere mich daran, dass es meine freie Entscheidung war, hier herzukommen; was — auf seltsame Weise — ein unglaubliches Privileg ist. Viele Menschen um mich herum sind nicht freiwillig hier. Was bedeutet das?
Wer weiß — ich kümmere mich morgen um diese Fragen, lüge ich mich selbst an und verschwinde unter meiner Decke.